Vorwort des Buches
Ludwig II. liebte die Natur und war in ihr geerdet. Es zog ihn so häufig in die Berge wie kaum einen anderen bayerischen Herrscher vor ihm. Der König kannte die schönsten Platzerl im Gebirge. Sofort nach seinem Regierungsantritt übernahm er sämtliche Jagdhütten des Vaters und ließ weitere Häuser bauen, etwa an den Soiernseen und auf dem Schachen. Wer den Tourenvorschlägen dieses Wanderführers zu den Refugien des menschenscheuen Monarchen folgt, sieht und erlebt die Bilderbuch-Regionen der bayerischen Alpen. Jeder mag für sich selbst nachvollziehen, warum Ludwig II. den jeweiligen Gipfel auswählte. Die vorliegenden Wanderungen stellen eine bodenständige und gern auch schweißtreibende Annäherung an den schillernden Wittelsbacher dar. Genau in diesem Sinne sind es »Wege zum Märchenkönig«.
In Zitaten, Briefen, Berichten und Erinnerungen von Zeitgenossen wird lebendig, was den König mit jenen Orten verband und was dort heute noch an ihn erinnert. Die Straßen und Wege zu den »heimlichen Residenzen« (Heindl) sind fast alle noch erhalten, entweder als einsame Wanderpfade oder als viel begangene Bergwege. Von den meisten königlichen Berghäusern existieren dagegen nur noch die Fundamente, beziehungsweise Nachbauten.
Befasst man sich näher mit den Standorten der Schlösser und den nicht mehr gebauten Palästen, so fällt eine gewisse Systematik auf: Herrenchiemsee und Linderhof symbolisieren im Stil des Spätbarock und Rokoko die Sonne, das Zeitalter Ludwigs XIV. und damit Ludwigs II. Traum von der Allmacht des Herrschers. Neuschwanstein, dem Historismus verpflichtet wie Hohenschwangau, steht für die Sagenwelt der edlen Gralsritter. Schachen, Maurischer Kiosk und marokkanisches Haus beziehen sich auf die Nacht und den Mond. Der byzantinische Palast bei Linderhof und der chinesische Palast am Plansee, beide nicht mehr realisiert, sollten eine Verneigung vor der östlichen Kultur sein. Auf dem Falkenstein ganz im Westen, dort, wo die Sonne untergeht, wollte Ludwig II. sein Grabmal errichten. Er kam nicht mehr dazu.
Wir beginnen die Wanderungen in Ludwigs II. Geburtsstadt München und erreichen über Herrenchiemsee die Berchtesgadener Alpen. Dort unternahm der junge Kronprinz mit seinen Eltern und dem Bruder Otto so manche Bergwanderung. Als König beschränkte er sich auf die Region zwischen Isar, Ammer und Lech. Von den Berghäusern am Walchensee geht es über das Karwendel weiter nach Westen bis ins Ammergebirge. Possenhofen und die Roseninsel fehlen ebensowenig wie die Tour nach Schloss Berg und zum Kreuz im See.
Wir betrachten die Vermarktung des »Kini« in unseren Tagen und führen ein Interview mit Prinz Luitpold. Ludwig II. war sein Urgroßonkel. Jede Tour begleiten Informationen über Anfahrt, Ausgangspunkt, Wegbeschreibungen, Gehzeiten und Schwierigkeitsgrad. Wanderer mit etwas Kondition und Gefühl für die Berge werden alle Touren schaffen, selbst die auf den Watzmann. Einkehrtipps, Übernachtungsmöglichkeiten, Hinweise für Kinder und Mountainbiker sowie Varianten zur vorgeschlagenen Route runden den Service-Teil ab.
Bewusst enthalten wir uns in diesem Wanderführer jeder Spekulation über die »ewigen Rätsel«, die Ludwig II. – zuletzt unfreiwilig – seiner Nachwelt aufgab. Das beginnt mit den Zweifeln an der Vaterschaft von Max II., gilt für das Datum von Ludwigs II. Geburt, für seine geistige Gesundheit und für die Frage, ob Ludwig II. schwul war. Auch in der anhaltenden Diskussion, unter welchen Umständen der König in jener regnerischen Nacht des 13. Juni 1886 im Starnberger See den Tod fand, liefern wir keine neue Version. Wir präsentieren einfach nur ein Wanderbuch.
Manfred Hummel, Wimpasing, im Mai 2011