Panoramablick vom Herzogstand
Seinen Namen hat der Herzogstand von den Bayern-Herzögen Ludwig und Wilhelm, die hier Gämsen jagten. König Max II. setzte diese Tradition fort. 1859 ließ er den Reitwegbauen, der von der Kesselberg-Passhöhe aushinauf zum Herzogstand führt, um zu seiner Jagdhütte zu gelangen, die bereits zwei Jahre vorher gebaut worden war. Seinem Sohn Ludwig II, der die Jagd verabscheute, war diese Unterkunft jedoch zu einfach. Etwas oberhalbließ er von 1865 bis 1866 ein neues Schlafhausaus Holz errichten, das außen ganz mit Schindeln bedeckt war. Es stand auf einem Steinfundament und hatte acht Zimmer sowie eine Aussichtsplattform auf dem Dach. Das Königszimmer zierte laut Praxmarer / Adam eine kunstvolle Kassettendecke. Neben dem Königshaus stand noch ein Wirtschaftsgebäude. Aussichtspavillons entstanden »auf Allerhöchsten Befehl« hin auch auf dem Gipfel des Herzogstands sowie dem Martins- und dem Fahrensbergkopf. Dort konnte der Monarch die herrliche Aussicht genießen, wenn er einmal von seiner Lektüre und Skizzen für die Schlossbauten aufsah. Ludwig II. ließ auch den Reitweg verbreitern, so dass er ihn mitseinem Bergwagen befahren konnte. Der Herzogstand war im jährlichen Turnus von Ludwigs Bergfahrten an zweiter Stelle vom24. Juni bis 3. Juli an der Reihe, zusammenmit weiteren Jagdhäusern im Umgriff des Walchensees wie die Soiernhütte und dasHaus auf dem Grammersberg.
Ludwig II gefiel es sehr auf dem schmalen Höhenrücken zwischen Fahrensberg und Martinskopf. Auf der einen Seite lag ihm der smaragdgrüne Walchensee zu Füßen, auf der anderen Seite der Kochelsee und in der Ferne der Starnberger See. An klaren Tagen zeichneten sich am Horizont sogar die Kirchtürmeder Residenzstadt ab. 22 Mal weilte der König auf dem Herzogstand, erstmals 1867, während die Vorbereitungen für seine erste Frankreich-Reise liefen, letztmals 1885. Hoch über dem Walchensee entschied sich LudwigII, noch ein weiteres Jagdhaus, auf dem Schachen, zu bauen. 1868 packt Pferdemaler Friedrich Wilhelm Pfeiffer auch auf dem Herzogstand Staffelei und Farben aus, um vom Weg auf den Gipfel aus den Braunen »Hildolf« zu porträtieren. Im Hintergrund liegt das alte Königshaus von Vater Max II. vor dem Jochberg und der Benediktenwand. Mit dem beginnenden Tourismus in den Bergenkommt es vor, dass Leute mit dem Ziel anreisen, einen Blick auf den bayerischen König zu erhaschen. Der Wirt vom Gasthof zum Jäger am See in Urfeld gibt zu diesem Zweck im Mai1874 eigens eine Anzeige im Bayerischen Kurier auf, berichtet Hannes Heindl. Der Mannversuchte, aus des Königs Aufenthalt Kapital zu schlagen. Fortan mied Ludwig II. die Gegend für einige Zeit.
Nach Ludwigs II. Tod im Jahr 1886 wurden die Herzogstandhäuser an den Alpenverein München verpachtet, der sie bis 1957 nutzte.1887 trugen sich laut Heindl 743 Besucher in das Gästebuch ein, 1888 waren es 1940 und ein Jahr später bereits 2700. Im Jahr 1895war König Max' Jagdhaus nach einem Blitzschlagabgebrannt. Der Alpenverein baute zehn Jahre nach Ludwigs Tod etwa 50 Meterhöher ein neues, wesentlich geräumigeres Schutzhaus. Es verfügte über eine Gaststätte und 75 Schlafplätze. Weil der Herzogstand sich rasch zum Hausberg der Münchner entwickelte, mussten die Häuser erweitert werden. Das Königshaus diente als Schlafhaus. Mit dem Bau der Seilbahn 1954 setzte der Massenansturm ein. 1957 verkaufte der Alpenverein die Gebäude an die Familie Hartl aus Benediktbeuern, vormalige Wirtsleute der Tutzinger Hütte. 1981 übernahm sie die Familie Zauner aus Kochel. 1990 brannten die Häuser bis auf die Grundmauern ab. Ein Jahr später begann die Familie Zauner mit dem Aufbau der heutigen Gaststätte. Von Ludwigs II. Aussichtspavillons ist nur der auf dem Herzogstand in erneuerter Form übriggeblieben. Wo einst das Königshaus stand, haben die Gemeinde Kochel und der König-Ludwig-Club München zum hundertsten Todestag des Königs am 18. Juni 1986 eine Ludwig-Büste aufgestellt. »Dem Freunde des Herzogstandes, unserem unvergessenen König«, lautet die Inschrift. Dahinter steht ein Neubau der Hütte, der als Unterkunft für den Gasthof dient. Ausgeschenkt wird, dem Genius Loci angemessen, Bier vom Herzoglich Bayerischen Brauhaus in Tegernsee. Herzogstand und Heimgarten, verbunden durch einen langen Grat, sind bereits auf der Anfahrt zu sehen. Die Überschreitung der beiden Gipfel zählt bei schwindelfreien Wanderern zu den klassischen Touren in den bayerischen Voralpen. Die Anreise nach Kochel ist bequem mit der Bahn möglich und mit dem Bayernticket preiswert zu haben. Das gilt auch für die Busfahrt hinauf zum Walchensee. Die Strecke wurde 1898 eröffnet und brachte Touristen aus München direkt an den Fuß der Berge. Wer mit dem Auto kommt, kann auf den Parkplätzen nahe der Kesselberg-Passhöhe parken. Nostalgie-Fans parken unten am Kochelsee und laufen die Alte Kesselbergstraße hinauf, die relativ unscheinbar kurz nach der Einfahrt zum Walchensee-Kraftwerk nachrechts abzweigt. Es ist ein reizvoller Spaziergangentlang der Kesselbachfälle. Auf dem schmalen und zum Schluss steilen Weg rollte Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe zwischen den Jahren 1786 und 1790 in der Postkutsche gen Italien. Am Walchensee machte der Dichterfürst Rast. Auf der letzten Serpentine der neuen Kesselbergstraße erinnert seit Goethes 100. Todestag eine Marmorbüste an die berühmte Reise.
Wie viele Kaiser, Könige und Kirchenfürstenvor ihm, ritt oder fuhr auch Ludwig II. auf dem Weg zu seinen Berghäusern rund um den Walchensee hier herauf. Bisweilen übernachtete der König im Gasthof Klosterbräu in Schlehdorf. Im ersten Stock waren für ihnund seinen Adjutanten stets zwei Zimmer reserviert. In der gegenüberliegenden Klosterkirche besuchte der Monarch die Messe, heißt es unter einem Fresko in der Wirtsstube, das Ludwig II in seiner Prunkkutsche vor dem Gasthof zeigt. Mit dem Bau der Kesselbergstraße war 1492 unter Albrecht IV. von Bayernbegonnen worden. Von 1893 bis 1897 ließ Prinzregent Luitpold die neue Kesselbergstraße bauen. Eine Marmortafel an einer Felswand an der Straße erinnert daran. Diese neue Verbindung brachte Anfang des 20.Jahrhunderts den Tourismus an den Walchensee.Von 1918 bis 1925 hielt sich alljährlich im Sommer der Maler Lovis Corinth in Urfeld auf und malte seine berühmten Walchensee-Bilder. 1924 ging das auf Initiative Oskar von Millers gebaute Walchensee-Kraftwerkin Betrieb. Es nutzt das natürlich Gefällezwischen Walchensee und Kochelsee von etwa 200 Metern zur Stromerzeugung und ist heute noch in Betrieb. Ein Besuch des Werkessamt einem großzügigen Informationszentrumlohnt sich. Über die Alte Kesselbergstraße verläuft auch der Jakobsweg von der Isar zum Inn.